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Kleine Nachlese – Bleibende Aufgaben. Schlusswort des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Kardinal Lehmann, bei der Tagung „40 Jahre Nostra Aetate“in der Katholischen Akademie, gemeinsam mit der Botschaft des Staates Israel
Lehmann, Karl
Alemania (2006/07/06)
Es ist viel gesagt worden, das ich nicht mehr zu wiederholen brauche. Ich möchte am Ende zunächst einmal eine sehr knappe, wirklich kleine Nachlese versuchen und schließlich einige bleibende Aufgaben formulieren.1
Die weltweite Beschäftigung mit der Erklärung des Zweiten Vatikanischen Konzils über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen 40 Jahre nach der Verabschiedung am 28. Oktober 1965 hat in sehr glücklicher Weise nochmals auf dieses weg- und zukunftsweisende Dokument aufmerksam gemacht. Dabei ging es vor allem um den Artikel 4 zum Judentum, der ja der Ursprung des gesamten Dokumentes ist. Im Grunde ist und bleibt dieser Abschnitt die Mitte des ganzen Textes. Schließlich geht es um die Kirche in ihrer im Judentum wurzelnden Identität. Es ist in der Zwischenzeit deutlich geworden, wie dieser knappe Text so etwas wie eine Initialzündung gewesen ist, die die vielfältige Beschäftigung mit dem Verhältnis Judentum/Christentum wirkungsvoll inspirierte. Deshalb ist es auch ein hohes Verdienst, jenseits einer sorgfältigen Analyse des Textes und der Textgeschichte die Wirkungsgeschichte dieses kleinen Abschnitts sorgfältig zu untersuchen, wie es vor allem Roman A. Siebenrock mehrfach unternommen hat. Hier haben wir den glücklichen Fall vor uns, dass ein relativ knapper Konzilstext bald nach Konzilsende und während der folgenden Jahrzehnte eine ganz erstaunliche Wirkung erzeugt hat. Ich habe bei anderer Gelegenheit auf eine Formulierung von Papst Benedikt XVI. hingewiesen, dass dieses eher beiläufige, fast zufällige Dokument mit den Anfangsworten „In unserer Zeit“ ein so erstaunliches Echo erlangt hat.
Es verdient Erwähnung, dass dabei die Päpste Johannes XXIII., Paul VI. und besonders Johannes Paul II. wichtige Anstöße gegeben haben, die zu diesem Dokument führten, aber auch die Beratung sowie die nachkonziliare Rezeption nachhaltig gefördert haben –so wie Papst Benedikt XVI. keinen Zweifel gelassen hat, dass er auf diesem Weg konsequent weiterschreiten wird.
Wenn die Tagungsakten der vielen großen Kongresse zum 40-jährigen Jubiläum erschienen sind, wird man stärker den zukunftsweisenden Charakter dieses Textes sehen, aber auch an die noch unerledigten Aufgaben erinnert werden. An erster Stelle steht dabei das vertiefte Verhältnis der Kirche zum jüdischen Volk. Die Verwurzelung der Kirche im Judentum und ihr bleibendes Angewiesensein auf diese Herkunft müssen noch mehr erforscht werden, wie dies z. B. zurzeit im Blick auf die Liturgie geschieht. Aber dies reicht nicht, denn wir müssen diese Ergebnisse noch viel stärker in das allgemeine Bewusstsein innerhalb und außerhalb der Kirche bringen. Dabei geht es vor allem um einen nachhaltigen Bewusstseinswandel, der
bereits in den Schulen aller Arten geleistet werden muss, wofür ja einige Materialien bereitstehen.
Diese Anstrengungen dürfen nicht nachlassen. „Noch immer und wieder verstärkt gibt es auch in Deutschland und in den Ländern Europas antijüdische Ideologien, Propaganda und Ausschreitungen. Die Deutsche Bischofskonferenz weiß sich mit der ganzen Kirche einig, wenn sie dazu aufruft, solchen Tendenzen entgegenzuwirken.“ (Erklärung zum 40. Jahrestag, Nr. 6)
Zugleich gibt es viele gemeinsame Bemühungen auf sozialem, ethischem und politischem Feld, z. B. in der Bewahrung der Schöpfung, bei der Sicherung des Friedens, der Bekämpfung der Armut, dem Eintreten für die Menschenrechte und die Menschenwürde, bei der Klärung bioethischer Fragen und in der Kritik an der zunehmenden Ökonomisierung unseres Lebens. „Die gemeinsamen religiösen Wurzeln legen hier auch ein gemeinsames Engagement nahe. Theologisch wird noch tiefer zu ergründen sein, welche Bedeutung die beiden verschiedenen Traditionen füreinander haben. Von der Wahrheit des einen Gottes Zeugnis zu geben, ist die gegenwärtig wohl wichtigste Aufgabe von Christen und Juden.“ (Erklärung, Nr. 6) In der Zwischenzeit haben wir zu dieser Vertiefung auch viele wichtige neue Instrumente, wie die Rabbiner-Konferenz in unserem Land, aber auch das Abraham-Geiger-Kolleg hier in Berlin.
Ich möchte mich am Ende besonders für das Zustandekommen dieser Veranstaltung heute bei allen bedanken, die sie gefördert haben. Es ist schon eine wichtige Frucht des neuen Verhältnisses, dass Sie, Herr Botschafter Stein, den Anstoß zu dieser Festveranstaltung gegeben haben und sich die Botschaft des Staates Israel, vor allem auch Herr Gesandter Ilan Mor, engagiert hat. Auch dies ist ein wichtiges Zeichen. Ich danke besonders der Katholischen Akademie hier in Berlin und bin glücklich, dass wir für die Festvorträge Herrn Akademiedirektor a.D. Dr. Hans-Hermann Henrix aus Aachen und Herrn Rabbiner David Rosen, den Präsidenten des Internationalen Jüdischen Komitees für den interreligiösen Dialog (IJCIC), als exzellente Kenner der Situation gewinnen konnten. Herzlichen Dank auch an Herrn Dr. Peter Frey, der in gewohnt guter Form, gerade auch bei kirchlichen Veranstaltungen, die Moderation übernommen hat.
1) Ich verzichte grundsätzlich auf Literaturangaben und verweise auf meinen umfangreicheren Beitrag: Die Katholische Kirche und das Judentum –vierzig Jahre nach Nostra aetate, in: H. H. Henrix (Hg.), Nostra Aetate –Ein zukunftsweisender Konzilstext. Die Haltung der Kirche zum Judentum 40 Jahre danach = Aachener Beiträge zu Pastoral- und Bildungsfragen 23, Aachen 2006, 197-215. Zugleich verweise ich auf meine entsprechende Erklärung als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz zum 40. Jahrestag von „Nostra aetate“, ebd., 233-237. –Zusätzlich sei hingewiesen auf die Hefte 2 und 3 des „Freiburger Rundbrief“, Neue Folge, 13 (2006), darin auch N. J. Hofmann, Auf dem Weg der Versöhnung vierzig Jahre nach Nostra aetate, 93-99 (Heft 2), K. Lehmann, Judentum und Christentum im Gespräch. Eine fortwährende Aufgabe, 166-178 (Heft 3).
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